Leon Eberhard
M. Sc. Psychologe
Psychoedukation
Stress und psychische Beschwerden
"Teile dein Wissen. Es ist ein Weg, Unsterblichkeit zu erlangen."
Tenzin Gyatso - Buddhistischer Mönch und 14. Dalai Lama
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Konflikte im Umfeld (Partnerschaft, Familie, etc.)
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Soziale Isolation (z.B. Corona-Krise)
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Körperliche Erkrankungen (z.B. Reizdarmsyndrom)
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Schlafdefizit
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Geburt eines Kindes
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Berufliche Beförderung
Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Stress und verfügt über höchst individuelle Ressourcen und Potenziale, die er oder sie zur Bewältigung von Konflikten nutzen kann. Die moderne Forschung legt nahe, dass einer der wichtigsten Gründe für das Entstehen psychischer Beschwerden darin besteht, nicht adäquat mit Stress umgehen zu können und Situationen überzubewerten.
Stress wird in der Psychologie und Medizin sehr verschieden definiert. Allgemein verstehen wir darunter eine Reaktion unseres gesamten Organismus (Körper und Geist) auf äußere oder innere Reize, sodass wir unsere Abwehrkräfte zur Bewältigung der an uns gestellten Anforderungen aktivieren. Hier finden Sie ein paar Beispiele für mögliche Stressoren, mit denen Sie im Alltag konfrontiert werden könnten:
Stress und psychische Belastungen
Persönliche Veranlagungen
Ob eine Belastung Sie aus der Bahn wirft oder nicht, hängt vor allem von Ihrer subjektiven Wahrnehmung der Situation und der Bedeutung dieser Ereignisse für Ihr Leben ab. Je wichtiger etwas für Sie ist, desto größer ist dementsprechend das Potenzial für die Entstehung von Stress.
Sind Sie zum Beispiel sehr introvertiert und ziehen es vor, in einem ruhigen Arbeitsumfeld zu arbeiten, könnte eine Beförderung für Sie eine enorme Belastung darstellen. Sie werden dadurch eventuell zu sehr aus Ihrer Komfortzone gedrängt, da Sie nun auf einmal Gruppenmeetings leiten sollen. Sind Sie auf der anderen Seite sehr extravertiert und genießen diese sozialen Situationen, könnte eine Versetzung ins Home-Office aufgrund der Corona-Pandemie für Sie mit immenser Frustration verbunden sein.
Je nach persönlichen Veranlagungen, Motiven und Zielen können somit einzelne Lebensereignisse sehr unterschiedlich erlebt und bewertet werden. Da Sie Ihre Lebensumstände jedoch nicht vollständig beeinflussen können, müssen Sie im Verlauf Ihres Lebens lernen, funktional mit Stress umzugehen und Ihre Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu stärken.
Die Wirkfaktoren zur Entstehung psychischer Beschwerden
Ein hohes Ausmaß an Stress alleine erklärt jedoch noch nicht hinreichend das Zustandekommen psychischer und körperlicher Beeinträchtigungen. Ihre individuelle Resilienz entscheidet darüber, wie viel Stress Sie gut bewältigen können und wann es eventuell zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt.
Wenn zahlreiche Faktoren zusammenwirken, besteht jedoch ein erhöhtes Risiko, die Herausforderungen des Lebens nicht mehr angemessen bewältigen zu können. Dann kann es zur Entstehung einschränkender psychischer Beschwerden und in einigen Fällen auch zur Ausbildung einer behandlungsbedürftigen Erkrankung kommen. Hierbei handelt es sich um drei essenzielle Wirkfaktoren (siehe Grafik).
Diese Einflussgrößen bestimmen maßgeblich Ihre Resilienz und wie Sie auf Lebensereignisse reagieren. Die gute Nachricht lautet, dass Sie Defizite in diesen Bereichen über eine Therapie entweder auskurieren oder durch die Kräftigung Ihrer Potenziale in den anderen Bereichen ausbalancieren können.
Die Rolle der drei Wirkfaktoren
Biologische Veranlagungen werden Ihnen von Ihren Eltern in Form des genetischen Erbguts mit auf den Weg gegeben. Sind Ihre Eltern zum Beispiel von Natur aus sehr stressresistent, sind Sie von Geburt an bereits mit einem Schutzfaktor gegen Stress ausgestattet. Sind sie jedoch ängstlich veranlagt, reagieren Sie wahrscheinlich auch sensibler auf potenzielle Stressoren.
Bei den psychologischen Faktoren handelt es sich um Ihre Einstellungen, Werte und Überzeugungen, die Sie im Verlauf Ihrer biografischen Entwicklung schrittweise verinnerlicht haben. Wie eine Art Brille beeinflusst Ihre psychologische Infrastruktur, wie Sie neue Erlebnisse und Informationen wahrnehmen und verarbeiten.
Als dritte Einflussgröße spielen soziale Umstände eine wichtige Rolle, da Sie durch Ihr Umfeld (Familie, Peergroup, beruflicher Kontext, soziale Medien, etc.) mit Normen, Werten und Erwartungen konfrontiert werden. Gerade in unserer modernen Informationsgesellschaft stehen Sie stetig unter sozialem Einfluss, und es erfordert ein hohes Maß an Abgrenzungsfähigkeit, um sich hiervon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Trifft bei einem Menschen eine eingeschränkte Resilienz auf eine erhöhte Stressbelastung, kann es zur Ausbildung körperlicher und psychischer Beschwerden kommen. Diese Wechselbeziehung lässt sich gut durch das Bild eines Fasses veranschaulichen (siehe Abbildung). Die individuelle Belastungsgrenze einer Person wird durch das Fassungsvermögen des Fasses dargestellt.
Fallen zahlreiche Risikofaktoren zusammen, kann das Fass weniger Wasser auffangen und läuft somit schneller über. Dadurch reagiert jeder Mensch auf einzelne Stressoren unterschiedlich schnell mit Überforderung. Um in Zukunft besser mit Stress umgehen zu können, existieren demzufolge mehrere Ansatzmöglichkeiten.
Einerseits können Sie ein besseres Bewusstsein dafür entwickeln, wann Ihnen der Stress über den Kopf hinauswächst, und dementsprechend einzelne Stressoren gezielt reduzieren. Auf der anderen Seite können Sie aber auch Ihre Resilienz erhöhen, indem Sie lernen, Stress durch geeignete Verhaltensweisen besser abzubauen. Da das Empfinden von Stress stark von der individuellen Wahrnehmung abhängt, können Sie auch Ihre Einstellung zu sich selbst und Ihrem Leben verändern, sodass Sie weniger Angst vor Überforderung erleben werden.